Die Geschichte des Olivenbaums ist tausendjährig. Er wurde seit jeher als Symbol für Spiritualität und Heiligkeit, für Frieden und Läuterung betrachtet und der Kult um ihn ist heute noch lebendig. In der Kunst und im Leben der Künstler war der Olivenbaum war seit jeher eine Quelle der Inspiration und seit der Antike bei Abbildungen und Illustrationen ein privilegierter Gegenstand. Entdecken wir gemeinsam sechs berühmte Kunstwerke, die den Olivenbaum in allen seinen Formen und Bedeutungen zur Geltung bringen.
Amphora aus Vulci, 500 v.Chr., British Museum, London
Die Amphore griechischen Ursprungs wurde an der archäologischen Ausgrabungsstätte von Vulci gefunden und zeigt eine Szene der Olivenernte, in der zwei Männer vom Boden und einer vom Baum aus mit Stöcken auf die Äste schlagen. Ein vierter Mann sammelt kniend die Früchte vom Boden auf und gibt sie in einen Korb. Das Olivenöl stellte in der Antike einen der wichtigsten Bestandteile der Nahrung dar und wurde auf viele Arten verwendet, unter anderem als Medizin oder für die Beleuchtung. Es gab verschiedene Qualitäten: Das native Olivenöl extra aus der Erstpressung (oleum flos), das Olivenöl mit minderwertigerer Qualität und das allgemein zum Kochen verwendete Olivenöl (oleum cibarium).
Simone Martini (1284 – 1344) und Lippo Memmi (XIII Jhdt. – 1356)
Verkündigung mit der Hl. Margarete und dem Hl. Ansanus, 1333, Uffizien, Florenz
Im Alten Testament wird der Olivenbaum mit den Konzepten des Friedens und des Wohlstandes in Verbindung gebracht. Im historisch-künstlerischen Rahmen und im Speziellen in der Darstellung der Jungfrau und der Leidensgeschichte Christi ist der Olivenbaum oftmals das Element, mit dem der Künstler den Betrachter zur Hauptszene des Bildes hinführt.
Ein nennenswertes Beispiel dafür ist die Verkündigung von Simone Martini und Lippo Memmi: Das gesamte Werk wird von einer Architektur im gotischen Stil umfasst und stellt den Moment dar, in dem der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria einen Olivenzweig hinhält und sie, überrascht von seinem Besuch, schüchtern zurückweicht.
Sandro Botticelli (1445 – 1510)
Das Gebet im Garten, 1490-93, Museo de los Reyes Catolicos, Granada
Sandro Botticelli widmete sich in seinem letzten Lebensabschnitt sakralen Darstellungen und ließ die allegorischen Darstellungen beiseite. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde, das den Abend des letzten Abendmals darstellt, als Jesus seine Jünger in den Garten „Gethsemane“ führte. Der Garten Getsemani (auf Aramäisch „Ölmühle”) ist ein kleiner Olivenhain, der sich ein wenig außerhalb der Altstadt von Jerusalem auf dem Ölberg befindet, in den sich Jesus Christus nach den Evangelien nach dem Letzten Abendmahl zurückzog, bevor er von Judas verraten und dann verhaftet wurde.
Vincent Van Gogh (1853 – 1890)
Olivenbäume mit gelbem Himmel und Sonne, 1889, Minneapolis Institute of Arts, Vereinigte Staaten von Amerika
«Hier gibt es wunderschöne Felder mit Olivenbäumen mit silbergrauen Blättern, wie gestutzte Weiden. Ich werde des blauen Himmels niemals müde». So schrieb Van Gogh 1889 während seines Aufenthaltes in der psychiatrischen Klinik in Saint-Rémy-de-Provence.
Der niederländische Maler hat die Malerei niemals aufgegeben und fertigte ausgesprochen viele Gemälde an, die die umliegende Natur und unter anderem auch die Olivenbäume darstellten. Der Olivenbaum stellte für den Künstler das perfekte Lebenssymbol und Symbol der Vereinigung des Menschen mit Gott dar. Dieses Gemälde stellt im Speziellen den Versuch Vincents dar, sein Verhältnis zu Gott zu versinnbildlichen und unterstreicht die emotionelle Verbindung, die er zur Natur hatte.
Maurizio Cattelan (1960)
Ohne Titel, 1998, Castello di Rivoli (To)
In der zeitgenössischen Kunst haben die Elemente der Natur zahlreiche Bedeutungen, die im Allgemeinen mit der Verwendung des Materials im engen Sinn zur Erschaffung von etwas Neuem zusammenhängen. In diesem Werk des Künstlers Maurizio Cattelan aus Padua ist der Olivenbaum eine Installation, die sich dem Blick des Betrachters aufdrängt und zum festen Bestandteil des Museumsraumes wird, in dem sie sich befindet. Offenkundig provokant sinnt der Künstler über die Realität und über das Sinnbild des Baums nach und stellt einen Baum in seiner Gesamtheit auf einem riesigen Erdsockel auf, der ihn am Leben erhält.
Joseph Beuys (1921 – 1986)
Olivestone, 1984, Bolognano (Pe)
Olivestone ist ein Werk, das mit der Forschung des deutschen Künstlers Joseph Beuys während der letzten Jahre seines Lebens zusammenhängt. Der Künstler arbeitet in einem kleinen Dorf in der Provinz von Pescara an der Unternehmung mit dem Titel „Difesa della Natura“ (Verteidigung der Natur), die er in den Siebzigerjahren begonnen hatte. Beuys konzipiert und realisiert ein Werk, das aus fünf Absetzbecken für Olivenöl der Familie Durini besteht, die mit einer antiken, in das Olivenöl getauchten Steinplatte bedeckt sind. Die Wannen werden so zu richtigen ‚lebenden‘ Skulpturen, weil sie sich immerzu vom Öl nähren, das sie aufsaugen. Beuys ist in allen seinen Werken auf unablässiger Suche nach einer tiefen Harmonie mit sich selbst, den Menschen und der Natur. Die Natur zu verteidigen bedeutet, den Menschen zu verteidigen.
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